19.12.2016
 4 Minuten

Berühmte Uhren-Kaliber

Von Robert-Jan Broer
IWC Schaffhausen Caliber 5000, Bild: © Bert Buijsrogge
IWC Schaffhausen Caliber 5000, Bild: © Bert Buijsrogge

Das Werk einer Uhr spielt für viele Uhrensammler eine entscheidende Rolle bei der Kaufentscheidung. Sammler suchen nicht nur nach mechanischen Kalibern, also nach Handaufzugs- oder Automatikwerken, sondern manchmal ist auch der Uhrwerks-Typ ein wichtiger Faktor beim Kauf einer Uhr. Doch dazu später mehr. In manchen Fällen spielt sogar das Design einer Uhr eine geringere Rolle als die Mechanik, die in ihr tickt.

In diesem Artikel werden wir uns mit einigen berühmten Uhren-Kalibern und Werkeherstellern beschäftigen. Wie Sie wahrscheinlich wissen, haben nicht alle Uhrenhersteller ihre selbst entwickelten Manufakturkaliber. Große Marken wie Breitling, Cartier oder IWC bauen seit Jahren auf Zulieferer für ihre Werke und Baugruppen. Wussten Sie, dass Patek Philippe lange Zeit Lemania-Werke für seine Chronographen verwendete? Bis 1988 lief im Inneren der Rolex Daytona das Handaufzugs-Kaliber Valjoux 72. Hier hat sich in den letzten Jahren einiges geändert. Uhrenhersteller haben sich auf ihre Fähigkeit besonnen, eigene Werke zu entwickeln. Das gilt freilich nicht für alle – Omega setzt bei der Speedmaster Professional auf das Lemania 2310 Handaufzugs-Kaliber und die IWC auf das Valjoux 7750 in der Portugieser Chronograph. Natürlich werden die zugekauften Werke häufig weiterentwickelt und erhalten eine Finissage durch die Luxusuhren-Hersteller.

Lassen Sie uns einen genauen Blick auf einige dieser Werke werfen – manche sind zugekauft, andere sind Manufakturkaliber, wieder andere entstanden in Joint-Ventures.

ETA/Valjoux 7750

ETA/Valjoux 7750
ETA/Valjoux 7750, Bild: © Bert Buijsrogge

Das Valjoux 7750 gehört zu den bekanntesten Chronographen-Kalibern der Welt. Das Chronographen-Arbeitstier wurde von ETA (Swatch Group) übernommen. Die Chronographen-Funktion wird hier von einer Nockenschaltung betrieben. Diese steht der aufwendigeren Säulenrad-Steuerung gegenüber. Ein Chronographenwerk zu entwerfen, zu entwickeln und zu produzieren ist sehr aufwendig. Daher können das nur Hersteller mit ausreichender Finanzkraft und Manpower stemmen – wie zum Beispiel Omega. Die Uhrenmarken, die sich das nicht leisten können, nehmen in den meisten Fällen das ETA Valjoux 7750.

Dieses Werk ist seit Jahrzehnten auf dem Markt und wurde, wie zuvor erwähnt, zum Beispiel in der IWC Portugieser verwendet. Es findet sich aber auch in vielen Modellen anderer Marken. Hierzu zählen Breitling, Omega, Tag Heuer und Sinn. Das Kaliber selbst ist nicht so teuer und kommt daher auch in Armbanduhren der Preiskategorie unter 2.000 EUR zum Einsatz. Hier betreiben die Hersteller freilich weniger Aufwand bei der Finissage des Uhrwerkes. Auch die Gehäuse, Zeiger und Zifferblätter sind einfacher und weniger detailreich verziert. ETA produziert darüber hinaus Kaliber für 3-Zeiger-Uhren und Werke mit GMT-Funktion. Sie beliefern unzählige Luxusuhren-Hersteller mit Werken – innerhalb und außerhalb der Swatch Group.

Lemania

Lemania Kaliber
Lemania Kaliber, Bild: Fratellowatches

Die bekannteste Uhr mit Lemania-Werk ist die Omega Speedmaster Professioal Moonwatch. Sie hatte bereits ein Lemania Werk, als sie 1957 auf den Markt kam. In den folgenden Jahren wurden verschiedene Variationen eingesetzt. Das erste Lemania-Chronographenwerk für die Speedmaster basierte auf dem Kaliber 2310 (Omega-Kaliber 321), ein Säulenrad-Chronograph. Später ersetzte man das Werk durch das Lemania 1871 (Omega-Kaliber 861). Auch Patek Philippe nutzte bis vor ein paar Jahren ein Lemania-Chronographenwerk in einigen Uhren. Zu erwähnen ist auch das Werk CH27-70 von Patek, das auf dem Lemania 2310 basiert. Die Finissage war natürlich auf einem anderen Level als beim Omega 321.

Bekannt ist auch das Arbeitstier Lemania 5100, das sich über Jahre einen Wettkampf mit dem Valjoux 7750 lieferte. Hier kamen Nylon- und Kunststoffteile zum Einsatz, um die Abnutzung zu verringern und die Produktionskosten zu senken. Es ist ein gefragtes Kaliber unter Chronographen-Enthusiasten.

El Primero

Zenith El Primero Kaliber
Zenith El Primero Kaliber, Bild: © Bert Buijsrogge

Das El Primero (deutsch: der Erste) war tatsächlich eines der ersten Automatik-Chronographen-Kaliber der Welt. Zenith hatte es bereits 1969 entwickelt. Das Wettrennen um das erste automatische Chronographen-Werk bestritten Chronomatic (ein Joint-Venture von Heuer, Breitling, Hamilton-Buren und Dubois-Depraz) und Seiko (Kaliber 6139). Das Zenith El Primero wird heute immer noch in Le Locle gebaut. Im Grunde ist das Werk immer noch genau das gleiche wie das allererste El Primero. Die meisten Teile gelten als untereinander austauschbar. Ein sehr schönes Feature für die glücklichen Besitzer eines älteren El-Primero-Werkes, denn sie können es relativ günstig bei Zenith zur Wartung geben. Das El Primero war nicht nur deshalb besonders, weil es das erste Automatik-Chronographen-Kaliber war. Die Unruh des Werkes oszillierte mit einer sehr hohen Frequenz, nämlich mit 5 Hz. bzw. 36.000 Halbschwingungen pro Stunde.

Das Werk gab und gibt es immer noch in Uhren anderer Hersteller. Die Rolex Daytona ist wahrscheinlich die bekannteste davon. Rolex verwendete in der legendären Daytona zwischen 1988 und 2000 eine optimierte Version des El Primero. Viele Luxusuhren-Marken haben das El Primero verwendet: Ebel, Movado, Tag Heuer und andere.

Jaeger-LeCoultre Kaliber 920

Audemars Piguet Caliber 2121, Bild: Audemars Piguet
Audemars Piguet Caliber 2121, Bild: Audemars Piguet

Jaeger-LeCoultre ist eine echte Uhren-Manufaktur. Das Unternehmen produziert dutzende eigene Kaliber in Le Sentier im Vallée de Joux in der Schweiz. Es gibt ein Uhrwerk, das Jaeger mitentwickelte, aber nie selbst einsetzte: Das Jaeger-LeCoultre Kaliber 920. Dieses Werk nutzte Patek Philippe in der ersten Nautilus mit der Referenznummer 3700/1A von 1976. Aber auch in der original Royal Oak mit der Referenznummer 5402ST von 1972 und einer Reihe anderer Uhren wurde es verbaut.

Heute wird es von nur einer Firma hergestellt: Audemars Piguet. Der Hersteller nutzt es noch in der Royal Oak „Extra-Thin” und in ein paar anderen der klassischen Uhren. Es kommt auch als Basiswerk für einige der sehr komplizierten Uhren zum Einsatz. Sie beliefern auch einige andere Hersteller wie zum Beispiel Vacheron Constantin mit dem Jaeger-LeCoultre Kaliber 920, Audemars Piguet nennt es 2121. Das Besondere an dem Werk ist, dass es dank des Schienensystems für den Rotor mit 3,05 mm sehr flach ist.

IWC Schaffhausen Kaliber 5000

IWC Schaffhausen Caliber 5000
IWC Schaffhausen Caliber 5000, Bild: © Bert Buijsrogge

Wir hatten oben kurz erwähnt, dass die IWC das Valjoux 7750 als eigenes Kaliber unter der Bezeichnung 79350 verwendet. Der Hersteller aus Schaffhausen hat aber auch eigene hervorragende Manufakturkaliber. Eines der bekanntesten ist das IWC Kaliber 5000.

Das Werk wurde von IWC im Jahr 2000 präsentiert. Es war seit den 1970er-Jahren das erste selbständig entwickelte Kaliber, das in größeren Stückzahlen produziert wurde. Es ist ein sprichwörtlich großes Werk mit einigen Einflüssen aus der Vergangenheit: ein großer Durchmesser (basierend auf den Taschenuhrwerken), eine Hemmung von dem berühmten Handaufzugs-Kaliber 89, und ein Pellaton-Aufzugssystem. Das IWC Kaliber 5000 (auch als Kaliberfamilie 50000 bekannt) ist im Grunde genommen ein hochgradig modifiziertes Taschenuhrenkaliber mit einem Automatikaufzug für Armbanduhren. Dieses Werk kommt in einigen Modellreihen wie der Pilot oder der Portugieser zum Einsatz. In der jüngeren Vergangenheit auch in der IWC Ingenieur.


Über den Autor

Robert-Jan Broer

Robert-Jan ist Gründer des Fratello Magazine und schreibt dort seit 2004 über Uhren. Seine Leidenschaft für Uhren entdeckte er allerdings schon viel früher. Für …

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